Sonntag, 1. November 2009

Es ist ein Mädchen...


Sie wiegt knapp zweieinhalb Pfund, hat kleine schwarze Kulleraugen und sogar schon Haare. Außerdem steckt sie alles in den Mund, muss alles ausprobieren und hat einen sehr gesunden Appetit auf alles auf Augenhöhe (also unsere Füße, Socken und Hosen): Lilly.

Aber zurück zum Anfang. Vor zwei Wochen haben wir uns endgültig entschieden, zu adoptieren und sind dann -lang geplant und kurz entschlossen - gen Süden gereist. Ransom und Will haben netterweise unsere Klassen für den Tag übernommen und so konnten wir früh morgens losfahren. Unser erster Stopp war der Buchladen, denn wir brauchten noch Erziehungsratgeber und einen Kaffee, zweiter Stopp war Walmart, denn wir brauchten noch ein kleines Bett und Babynahrung, und dritter Stopp war die Tankstelle, denn auch das Auto hatte Durst. Dann haben wir uns also sehr gespannt und ein wenig aufgeregt auf die Reise gemacht. Eigentlich hatten wir eine Fahrt wie die nach Chicago durch Illinois entlang endloser Maisfelder erwartet, aber wir wurden zum Glück enttäuscht. Der Süden von Missouri ist wunderschön mit kleinen Bergen und großen Laubwäldern, die in allen Farben leuchteten. Das hat mich ein bisschen an Michigan und den Indian Summer erinnert. Dank Google Maps sind wir auch nicht den schnellsten, aber dafür kürzesten Weg gefahren, der uns mitten hindurch geführt hat. Bedenken hatten wir nur, da der Handy Akku durch das ständige überprüfen der richtigen Route in Springfield schon halb leer war, wir noch nicht ganz am Ziel waren und ja noch zurück mussten. Es kam natürlich wie es kommen musste und auf der Rückfahrt waren wir dann auf meinen famosen Orientierungssinn angewiesen, der sich aber als nicht gänzlich unbrauchbar erwies.

In Springfield hat die Suche dann aber erst richtig angefangen. (Zunächst konnten wir uns aber über die Namen der Orte freuen, die uns sehr an die Simpsons erinnerten: Neben Springfield liegt nämlich Seymour.) Als wir dann endlich den richtigen Ort (Diggons) gefunden hatten, mussten wir nur noch die richtige Straße finden. Kein Problem, dachten wir, der Ort hat nur zwei. Denkste! Die zwei Straßen liegen nämlich auf verschiedenen Seiten des Highway, den man - in Deutschland undenkbar - direkt, also wie eine normale Straßenkreuzung, überqueren muss. Dies erschien uns zunächst keine gute Idee und so verbrachten wir etwa zehn Minuten auf der falschen Seite des Interstate. Schließlich haben wir dann aber den Tierarzt gefunden, wo wir nur noch auf unsere Lilly - damals noch Sugar - warten mussten. Die Rückfahrt war die beste Rückfahrt, die wir bisher hatten und sehr unterhaltsam. Lilly hat zwar die meiste Zeit geschlafen, aber dennoch die Zeit gefunden, einmal in meine Hand zu scheißen. Zum Glück hatte ich es kommen gesehen und schnell ein paar Kleenex dazwischengelegt. (Wie in Deutschland darf man auch in den USA nicht einfach auf dem Highway anhalten. Eigentlich darf man derart geladene Taschentücher auch nicht aus dem Fenster werfen, aber das war mir in dem Moment scheißegal.) Zuhause haben wir dann versucht, Lilly in der Küche schlafen zu lassen, aber sie konnte bei ihrem eigenen Lärm nicht zur Ruhe kommen. Der nächste Versuch war erfolgreicher und sie schlief für circa eine Stunde ruhig in einem Wäschekorb neben unserem Bett mit einem Kuscheltier, einem Pullover und meinen Arm. Dann mussten wir beide raus. Diese Prozedur haben wir einvernehmlich mehrfach wiederholt. Jetzt kann sie schon ohne Arm einschlafen und muss nur noch höchstens einmal nachts raus.


Aber wir haben immer viel Spaß mit ihr und sie mit uns und sie begleitet uns, wohin sie nur kann. Wir dürfen sie sogar - unter einer Bedingung - mit in die Uni nehmen. Sie muss nämlich jeden Morgen erstmal eine Runde durch die Büros machen und alle begrüßen. Das kann sie aber schon alleine, denn sie wird einfach von Arm zu Arm herumgereicht. Wenn wir nicht auf sie aufpassen können, übernimmt Will den Job oder sie muss im Auto warten. Letzteres findet sie aber scheiße. (Entschuldigt bitte die Wortwahl, aber das beschreibt es am besten und ohne viel Ausschmückung.) Letzte Woche haben wir sie uns ersten Mal längere Zeit zuhause gelassen. Das fand sie auch "nicht so gut." Wir haben sie in die Küche gesetzt, weil wir dort Linoleumboden haben und keinen Teppich und als Absperrung zum Wohnzimmer haben wir unser Bügelbrett benutzt, das etwas breiter ist als Lilly auf den hinterbeinenstehend groß ist. Als wir zurückkamen, waren wir dementsprechend überrascht, einen kleinen Haufen und ein umgekipptes Glas im Wohnzimmer zu finden, obwohl Lilly noch immer brav in der Küche auf uns wartete. Es ist uns aber gelungen, den Vorfall nachzustellen:





Letztes Wochenende war Homecoming in Columbia. Das wird hier an der UM besonders groß gefeiert und hat auch hier seinen Ursprung. Homecoming ist ein Fest für alle Alumni der Uni, die eingeladen werden, zurückzukommen und hoffentlich ein bisschen Geld zu spenden. Die Feier beginnt am Freitagabend, wenn alle Burschen- und Schwesternschaften ihre Häuser schmücken und man überall Snacks essen kann. Am Samstag war dann eine große Parade und alle Schulen, Institutionen und Vereine Columbias und natürlich die Studenten selber haben daran teilgenommen. Wir haben uns aber nicht den ganzen Umzug angeschaut und sind nach fast zwei Stunden nach Hause gegangen. Mein Hintern war ziemlich kalt geworden, weil ich nahezu die ganze Zeit neben einem kleinen Jungen sitzen musste, der Lilly auf dem Arm hatte. Bevor wir gegangen sind, hat er mir noch seine Adresse ins Ohr geflüstert, "falls er Lilly babysitten soll und wir nicht möchten, dass er alleine mit ihr in unserm Haus ist."






Jetzt müssen wir in die Uni, unsere Stunde für morgen vorbereiten. Außerdem müssen Astrid und ich nächste Woche je ein Referat halten und einen Vortrag an einer Grundschule. Wir sind sehr gespannt, wie das wird und wissen noch gar nicht, was wir überhaupt erzählen sollen.

Liebe Grüße an euch alle, Markus und Astrid.

1 Kommentar:

  1. Hey, Hey,

    herzlichen Glückwunsch zum "Zuchwuchs"! Ganz schön haarig, die Kleine.

    Liebste Grüße aus dem sonnigen Valencia,

    Martina

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